Die Ufer des Zürichsees eignen sich ausgezeichnet als Projektionsfläche für individuelle Vorstellungen und Wünsche, wie deren Nutzung in Zukunft ausgestaltet werden soll. Dabei überbieten sich Ämter, Parteien, Bürgerbewegungen und Private mit gut gemeinten Ideen. Es wird allerdings übersehen, dass sich diese Vorstellungen, die behördlichen Anordnungen, die Vorgaben des Bundes, die gesetzlich garantierten Eigentumsrechte und die Anforderungen des Naturschutzes offensichtlich widersprechen. Die sich überlagernden Interessen führen letztlich zu unendlichen Rechtsverfahren. Und sie blockieren sinnvolle kleine Verbesserungen, in der Hoffnung, dass dereinst der grosse Wurf gelingt.
Historisch gesehen war das Leben und der Aufenthalt am See nicht besonders begehrt. Der See wurde vor allem für den Transport und die Fischerei genutzt. Erst im 19. Jahrhundert fanden einerseits industrielle Nutzungen statt und wurde anderseits der Reiz des Wohnens am See entdeckt. Dafür mussten allerdings die Ufer zuerst befestigt und nutzbar gemacht werden. Dies übernahmen meist Private, der Kanton sicherte sich dabei mit «Konzessionen» das Recht der Mitbestimmung. Mit der wachsenden Bevölkerung und der zunehmenden Regulierungsdichte geriet auch die Nutzung des Gewässers und der Ufer immer stärker in den Fokus.
Uferinitiative mit intakten Chancen
Aktuellstes Beispiel dafür ist die Volksinitiative „Für öffentliche Uferwege mit ökologischer Aufwertung“, über die im März 2024 abgestimmt wird. Diese fordert im Grundsatz einen durchgehenden Uferweg, finanziert durch den Kanton. Dabei sollen «unberührte und ökologisch wertvolle Ufer ungeschmälert erhalten werden, dem Natur- und Landschaftsschutz sei Sorge zu tragen und die Ufer seien ökologisch aufzuwerten.» Die Initiative steht damit in Konkurrenz zu den Eigentumsrechten der Seeanstösser. Das kümmert den erholungssuchenden Stimmbürger vermutlich wenig, vor allem, wenn der Kanton die Kosten dafür trägt. Hingegen könnte der Widerspruch in der Initiative selbst stören: Der Erhalt ökologisch wertvoller Uferzonen lässt sich nicht mit dem Nutzungsdruck auf einen Uferweg in Einklang bringen. Bereits erstellte Abschnitte des Seeuferweges legen ein trauriges Zeugnis davon ab.
Mehrfache Beplanung der Ufer
Eine Herausforderung für alle Beteiligten sind die verschiedenen planerischen Massnahmen im Uferbereich. So müssen die Gewässerabstände gemäss Gewässerschutzgesetz festgelegt werden. Gleichzeitig soll das Planen und Bauen am Zürichsee in den Richtplänen und den kommunalen Bau- und Zonenordnungen neu geregelt werden. Ebenfalls im Zuge der Umsetzung des Gewässerschutzgesetzes ist der Kanton in der Pflicht, Revitalisierungsmassnahmen umzusetzen. Das heisst, Uferbereiche werden der öffentlichen Nutzung ganz oder teilweise entzogen und renaturiert. Anlagenbesitzer am Zürichsee – z.B. Gemeinden mit einer Hafenanlage – müssen bei einer anstehenden Neukonzessionierung die 1,5-fache Uferlänge als renaturierte Ersatzmassnahme vorweisen können. Andernfalls dürfte die Konzession nicht erneuert werden. Und gleichzeitig steigt der Druck auf die bestehenden Seeanlagen laufend, die Nutzungsintensität ist teilweise an der Grenze des Zumutbaren.
Begrenzte Uferlinie
Erstaunlich ist, dass von verschiedenen Ämtern bei Bund und Kanton Vorgaben gemacht werden, diese jedoch nicht koordiniert sind. Eine Gesamtsicht auf die Begehrlichkeiten am Seeufer fehlt weitestgehend. Die Gemeinden müssen sich mit diesen Unzulänglichkeiten irgendwie arrangieren, derweil können Verwaltung und Politik für ihre Klientel immer neue Luftschlösser entwerfen.
Immerhin kann festgestellt werden, dass die Uferlinie begrenzt ist – sie lässt sich auch mit viel gutem Willen nicht verlängern. Je mehr Begehrlichkeiten formuliert werden, desto kleiner wird die Chance der Realisierung. Und langwierige Rechtsverfahren werden das Ihre dazu beitragen, dass der Status Quo vorläufig erhalten bleibt und die Entwicklung nur in kleinen Schritten erfolgt. So wird auch die allfällige Umsetzung der Uferinitiative ein äusserst langwieriger Prozess sein. Und das ist wahrscheinlich gar nicht so schlecht – die Natur wird es jedenfalls danken.